IMG 5781

DAS KENIAERLEBNIS IN DER SCHULZEITUNG…

Veröffentlicht am

Liebe Freunde

Foto 2

Kürzlich hat eine GOA-Volontärin, die von Beruf Lehrerin ist, in einer Schulzeitung über ihren Einsatz in Kenia berichtet. Der Artikel, welcher auf grosses Interesse bei der Bevölkerung stiess, möchten wir euch nicht vorenthalten.

Viel Spass beim Lesen wünscht,

Rebekka

Von den Ärmsten lernen - mein Einsatz in Kenia

„Wie bist du mit der grossen Armut umgegangen, mit der du in Kenia konfrontiert wurdest?“, war eine der häufigsten Fragen, die mir nach meiner Rückkehr aus Kenia gestellt wurde. Hier wurde ich während meines Einsatzes selber immer wieder auf’s Neue überrascht, war es doch nicht die Armut, sondern die übersprudelnde Freude der Kenianer, ihr beeindruckender Lebensmut und Optimismus, denen ich TROTZ der Armut täglich begegnete, die mich tief bewegten. Schnell drängte sich für mich die Frage auf, was echte Armut bedeutet!

Im Sommer dieses Jahres leistete ich einen dreiwöchigen Einsatz in Kenia. Dazu schloss ich mich der kenianischen Hilfsorganisation GOA Kenya an, die in Zusammenarbeit mit dem Verein GOA Schweiz Freiwilligeneinsätze in ihren verschiedenen Projekten anbietet.

Selten habe ich ein so unkompliziertes, positives Volk wie die Kenianer angetroffen, bei dem Geben und Teilen von Klein auf in ihrer Natur zu sein scheint. Bereits am zweiten Tag, während des Besuchs einer GOA-Schule in Mathare, dem zweitgrössten Slum Nairobis, erlebte ich eine unglaublich berührende Geste, die mich, frisch eingeflogen aus einem Land des Überflusses, beschämen liess. Inmitten dieser für uns unvollstellbaren Armut halbierte ein nicht mal dreijähriges Mädchen ihr kleines Stück Brot, um mir eine Hälfte zu schenken. Gut möglich, dass dieses Mädchen eines der Kinder war, die ohne Abendessen mit Hunger ins Bett gehen musste. Ein Akt tiefer Menschlichkeit in einem für mich fast menschenunwürdigen Ort!

IMG_5781

Bei strömendem Regen und unvorstellbaren Strassenverhältnissen ging meine Reise weiter nach North Kinangop ins erste Waisenhaus namens „Tumaini“, wo ich mich erstmal mit Gummistiefeln und warmen Kleidern ausrüsten musste, da ich auf über 2500m und in der kältesten Zeit des Jahres alles andere als Afrikahitze erlebte. Im Haus war es kalt und kahl, doch waren es die vielen, meist spontanen Kontakte mit den Menschen hier, die unglaublich viel Wärme und Freude hineinbrachten. Von den Hauseltern, den Lehrern und natürlich den 160 Waisenkindern wurde ich ganz selbstverständlich in die Tumaini-Family aufgenommen und durfte Gastfreundschaft und Versorgung erleben, wie man sie selten antrifft in unserer vom Wohlstand gesegneten Gesellschaft.

Auf dem Gelände von Tumaini befindet sich eine eigene Schule (GOA Education Center), in welcher auch 200 Tagesschüler aus der Umgebung unterrichtet werden. In der Unterstufe übernahm ich ein paar Lektionen und unterstützte ausserdem Sekundarschüler, die das Freifach Deutsch belegt hatten, bei der Vorbereitung auf den Abschlusstest. Ich war tief beeindruckt von der Freundlichkeit und dem Ehrgeiz der Studenten. Nichts an ihrer Arbeitshaltung deutete auf ihre herausfordernden, bescheidenen Lebensumstände und den schwierigen Start ins Leben hin (viele von ihnen lebten auf der Strasse, bevor sie von GOA aufgenommen wurden). Sie besitzen nichts ausser einer Schuluniform, einer Zahnpaste, einer Zahnbürste und ein paar Kleidern. Ihr Hab und Gut hat in einer kleinen Kiste Platz, das Zimmer teilt man sich mit bis zu 60 anderen Waisenkindern, für gute Zukunftschancen muss unvorstellbar viel geleistet werden und doch sind die Kinder so viel zufriedener, gewissenhafter und lernwilliger als ich dies von den meisten Schülern aus der Schweiz kenne. Während meines Einsatzes habe ich unter den Waisenkindern kaum Streit oder Missgunst erlebt; vielmehr kümmerten sich die Grossen um die Kleinen und lösten die wenigen Konflikte weitgehend selbstständig.

Schnell schloss ich Freundschaft mit den äusserst interessierten Lehrpersonen und erlebte einen bereichernden Austausch. Sie gewährten mir wertvolle Einblicke in ihren Arbeits- und Lebensalltag, teilten mit mir ihre Gedanken und Zukunftsträume und waren ganz eifrig, Deutsch zu lernen. Stundenlang schauten sie sich meine Fotos an und wollten alles über die Schweiz und unser Leben in diesem „Traumland“ wissen; wie wir wohnen, kochen, waschen und uns fortbewegen. „Your life must be so soft“, meinten sie nach ein paar Tagen überzeugt und schauten mich ungläubig an, als ich von den vielen depressiven Menschen und der hohen Suizidrate in unserem Land berichtete. Wohlstand bewahrt eben nicht vor innerer Armut, dachte ich. „But why? How can they be unhappy, when all their basic needs are covered?“ Das konnten sie sich beim besten Willen nicht vorstellen!

Nicht einer der Mitarbeiter von GOA, mit denen ich sprach, kam in der Kindheit um die Erfahrung, an Mangel an Essen und Kleidung zu leiden und viele mussten zeitweise um ihren Platz in der Schule bangen, da ihre Eltern, wie dies auch heute noch oft der Fall ist in Kenia, das Schulgeld nicht aufbringen konnten. Dann wird das Kind nach Hause geschickt, auch wenn es sich durch noch so viel Fleiss, Intelligenz und Lernwille auszeichnet.

DSC_0771

Die ansteckende Lebensfreude meiner neuen, kenianischen Freunde, das fröhliche Kinderlachen in der Slum-Schule und den Waisenhäusern, die optimistische Lebenshaltung der Kenianer und ihr einzigartiger Sinn für Humor dürfen jedoch nicht täuschen. Tatsache ist, dass dieses Volk angewiesen ist auf die Hilfe von Aussen, auf die Unterstützung von Menschen wie wir, die das unverdiente Privileg haben, in einem sicheren, wohlhabenden Land zu leben, wo auch der ärmste Bürger reich ist im Vergleich zum Grossteil der Kenianer. So ist es mir ein Anliegen, auch nach dieser einmaligen Erfahrung nicht in Betroffenheit zu verharren, sondern Mitverantwortung zu übernehmen, in Kinder und Familien aus den ärmsten Teilen der Welt zu investieren. In ihre Versorgung, Bildung und Gesundheit und somit ihre Chance auf eine bessere Zukunft.

N.M.